Der Niedergang der FAZ

Von Thomas Bez am 28.01.2017

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Screenshot FAZ.NET 28.1.2017 nachmittags

Heute hatte die FAZ ihren großen Tag, zumindest im Internet. (Von ihr als Tageszeitung haben wir uns im letzten Jahr, nach 12 Jahren, getrennt.) Man nähert sich dem Niveau vom Stern und Bunte.

Auf die Spitzenposition der Seite schaffte es (1.) heute früh ein Bild mit dunklen Kinderkulleraugen über einer US-Flagge und (2.) heute nachmittag eine Schmonzette, in der unter anderem ein Hund namens Wolfgang vorkommt, der durch sein Verhalten kundtut, daß auch er gegen Trump ist. (Wirklich, Aufmacher auf Position eins für wenigstens zwei Stunden.)

Zwei Artikel tiefer eine Polemik zum Melania-Titelphoto in einer Vanity Fair. Gleich daneben wenigstens eine, wenn auch unvollendete, politische Analyse, wo die Think Tanks sich ausweinen, die plötzlich obsolet geworden sind und das Geschäft an andere Unternehmen verlieren, die Trump zugeneigt sind - o Wunder. Dazu noch eine Glosse über Trump, der den längsten... Schlips hat. Die Glosse ist vom Herausgeber, man ist sich für nichts zu schade.

Der Familien-Teil gibt Rat in der Kolumne "Wie erkläre ich's meinem Kind". Unter der Überschrift "Warum jemand lügt und wie man damit umgeht" heißt es apodiktisch in der kindgerechten Sprache einer der zahllosen jungen Redakteurinnen, die neuerdings in der Online-FAZ ihr Unwesen treiben: "Anscheinend lügt Donald Trump, und er findet gar nichts dabei. Wer 'alternative Fakten' verbreitet, macht es sich zugleich leicht und schwer."


Screenshot FAZ.NET 28.1.2017 nachmittags

Ach, und dann ein Bild zum Artikel, der sich mit Trumps Wortwahl "the victims ... of the Holocaust" auseinandersetzt, aus der nicht zu erkennen sei, daß diese Opfer Millionen Juden waren. Das Bild ist so aufgenommen, daß es aussieht, als sprießten aus Trumps Schultern zwei goldene Engelsflügelchen. Mit der Unterschrift "Hail to the Chief", was wohl "Heil dem Führer" heißen soll. Da will einem glatt das Lächeln gefrieren.

Während es den Leser zu gruseln beginnt, ist die Online-Redaktion nicht untätig. Nach dem Neuladen der Seite ist die Glosse mit dem Schlips verschwunden, wofür die Nachricht erscheint, daß Trump einer Friedensnobelpreisträgerin das Herz gebrochen hat. Und so weiter und so fort. Die Meldung, daß ein Herr Häßler das Dschungelcamp verläßt, geht in diesem Schleim glatt unter.

Zu guter letzt an dieser Stelle: "Trumps Präsidentschaft erinnert viele an George Orwells Roman 1984. Das Buch von 1948 ist in Amerika derzeit ausverkauft", meldet die FAZ unter der Rubrik Wirtschaft (sic). Falls jemand der irrigen Auffassung ist, daß die Enthüllungen Snowdens dieses Interesse angefacht haben könnten.

Es sind noch einige weitere Trump-Perlen auf der Seite verborgen, die FAZ arbeitet sich an ihm ab bis zur völligen Erschöpfung.

Warum breiten wir das hier so aus? Vor gar nicht so vielen Jahren noch hätten wir die FAZ die beste Zeitung der Welt genannt, dicht gefolgt von der NZZ - und wir kennen ein wenig von der Welt. Sic transit gloria mundi. Leider gibt es noch immer keinen deutschen Ersatz, der an das frühere Niveau der FAZ heranreicht, weder unter den Tages- noch unter den Wochenzeitungen. Wir fühlen uns etwas einsam ohne ein Stück Presse, das wir mögen können.