Sarrazins Buch |
Von Thomas Bez am 17.10.2010
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Wir haben Sarrazins Buch gekauft. War waren überrascht, es sogar in der Frankfurter Bahnhofsbuchhandlung zu finden.
Es ist mühselig, weil die Kernaussagen schnell zu überblicken sind, über Längen wiederholt und variiert werden und mit Unmengen von Zahlen und Statistiken untermauert werden. Die dreißigste Tabelle mit statistischen Daten schaut man sich schon weniger genau an.
Manchmal nervt Sarrazin auch sehr, denn er ist eigentlich ein Schulmeister, seine Moral ist schulmeisterlich und gar seine Rede. Aber er hat halt recht mit dem, was er sagt, ebenso wie die von ihm viel zitierte Necla Kelek oder der Neuköllner Bürgermeister. Längere Aufenthalte in Städten wie Berlin, Frankfurt, München, Köln, Hamburg belehren jeden, der sehen will, über die Wahrhaftigkeit seiner Analysen. Schon ein paar S-Bahn-Fahrten durchs abendliche Berlin oder Frankfurt sind eine wertvolle Lektion.
Es geht los. Sarrazin schreibt nach einer etwas verworrenen aber glücklicherweise kurzen Einführung in die Historie des Abendlandes über:
In diesem letztgenannten Teil geht es auch um Kultur und Aufklärung, worin sich christlich-abendländische und islamitische Kultur grundsätzlich unterscheiden, warum Islam und Islamismus voneinander nicht zu unterscheiden sind und warum man als anständiger (westlicher) Mensch sogar Fundamentalist der bürgerlichen Freiheit und der Aufklärung sein müsse.
Alles klug, richtig, mit Zahlen und Zitaten untermauert, schließlich sogar emotional und im ganzen, wie schon gesagt, etwas schulmeisterlich.
Wir sind auf Seite 349 angelangt.
Da kommt es – neun Seiten über Darwin, Mendelsche Gesetze, warum Minderbegabte mit höherer Wahrscheinlichkeit Minderbegabte vorbringen als die anderen, welche man lieber zum Nachbarn hat, und warum Populationen, in denen Paarungen im Familienclan häufiger vorkommen, zu Problemen mit dem Genpool neigen.
Es folgt noch ein Ausblick aus schulmeisterlich-pessimistischer und einer aus schulmeisterlich-optimistischer Perspektive sowie ein außerordentlich wissenschaftlicher Anmerkungsapparat.
Das war alles? Bis Seite 349 jedenfalls Dinge, die wir uns von unserer Regierung zur Kenntnis genommen wünschten.
Das Unterkapitel über die Genetik und die überbordende Fruchtbarkeit der Dümmsten (wundervoll ätzend!), so nebensächlich es für die Aussage des Buches ist, ist vielleicht sein großer Vorzug. Neun Seiten, auf deren Lektüre in einer zusammenfassenden Vorabpublikation sich die Kanzlerin, die wir (nun zu unserer Schande) zweimal gewählt haben, offenbar beschränken kann. Dazu noch ein paar hübsche Sottisen im Stile der "Kopftuchmädchen". Fein, daß es dadurch jetzt alle Aufmerksamkeit hat. In diesem Herbst kann schließlich keine innenpolitische Debatte außerhalb des Kontextes dieses Buches geführt werden.
Sarrazin ist der Typ des Privatgelehrten, ein ganz Bürgerlicher, Vornehmer, der wahrlich nicht in die SPD paßt. Der das Morgenland lieber auf Urlaubsreisen besichtigt als um die Ecke und eher zwischen seinesgleichen und dem Pöbel unterscheidet als Rassist, Chauvinist oder Sozialist zu sein oder was auch immer. Eine seiner Kernthesen ist aber schon wieder sehr sozialistisch: Entwindet die besonders benachteiligten Kinder frühzeitig ihren Eltern und Sippen und versucht ihnen in Kindergärten und Ganztagsschulen eine Chance zu geben.
Wäre ja schön, wenn das Buch auch etwas nützte. Wird es aber sicher nicht. Wir sind empört, wie sich unser Land im Umgang mit diesem Buch blamiert hat.